9.6 Verwaltungsakteur:innen – „Verzögern per Erlass?“
🏢 Systemische Position
Verwaltungen setzen um, wovon andere reden.
Doch in der Umsetzung liegt oft die eigentliche Verzögerungsschleife.
Nicht Gesetze bremsen den Wandel – sondern ihre Umsetzung in Routinen.
⏳ Verzögerung in der Verwaltung
- Zuständigkeiten werden verteilt, statt koordiniert
- Erlasse und Verordnungen dienen der Vermeidung von Verantwortung
- Verwaltungsdeutsch verschleiert politische Setzungen
- Form schlägt Wirkung: „Hauptsache korrekt, nicht wirksam“
🔧 Beispiel 1: Aktenstau durch „Ermessensspielraum“
Kontext: Kommune prüft Radwegeausbau, will Flächen umwidmen Verwaltungsantwort (fiktiv, aber realistisch):
„Die Prüfung möglicher Zielkonflikte mit bestehenden Flächennutzungsplänen ergibt derzeit keinen eindeutigen Handlungsauftrag.“
Analyse
Formulierung | Systemeffekt |
---|---|
„Prüfung ergibt keinen Auftrag“ | Vermeidung durch semantisches Vakuum |
„mögliche Zielkonflikte“ | Vorwegnahme von Widerstand = Vorwand |
„derzeit“ | Entzeitlichung → „vielleicht irgendwann“ |
Intervention:
→ Kommentierter Übersetzungsvorschlag für Fortbildungen:
„Wir könnten – aber es könnte Ärger geben. Also tun wir es lieber nicht.“
🔧 Beispiel 2: Amtssprache als Beruhigungsinstrument
Situation: Verwaltungsbescheid zu Klimaanpassung
Typische Formulierung:
„Im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel wird angestrebt, perspektivisch an den Erfordernissen der Resilienzstruktur zu arbeiten.“
Störende Klartextversion
„Wir setzen nur um, was niemanden stört – und niemand einklagt.“
Workshop-Idee:
→ „Verwaltungssprache übersetzen“ – 10 Originalsätze in Klartext bringen → Reflexion: „Was würde passieren, wenn wir wirklich sagten, was wir tun – oder nicht tun?“
🔧 Beispiel 3: Zuständigkeitskarussell stoppen
Beobachtung:
Viele Vorhaben scheitern nicht am Budget – sondern daran, dass niemand „zuerst“ zuständig ist.
Systemstörung:
→ Interner Mapping-Workshop: „Was wäre, wenn niemand mehr Zuständigkeit verschieben dürfte?“
Übung
- Fallakte analysieren
- Frage: „Wer müsste eingreifen – auch wenn er oder sie nicht muss?“
- Ziel: Systemkarte mit dokumentierten Entscheidungsvermeidungen
💡 Fazit
Verwaltung ist keine neutrale Maschine. Sie kann Wandel bremsen – oder ermöglichen.
Wer Verwaltung versteht,
kann stören – wo andere sich auf den „Dienstweg“ berufen.
Verantwortung beginnt nicht beim Gesetz – sondern bei denen,
die es auslegen, verschieben oder verkapseln.