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9.9 Kulturschaffende & Kreative – „Verzögerung erzählen?“

🎨 Systemische Position

Kunst prägt Vorstellung – und damit Handlungsspielräume.
Aber auch Kultur kann verzögern:

Wenn sie betäubt, statt berührt.
Wenn sie Dystopien produziert – statt Wirklichkeit stört.
Wenn sie die Krise ästhetisiert – statt sie in Sprache zerlegt.

⏳ Verzögerung in Kultur & Kreativszene

  • Die Klimakrise wird als „Stoff“ behandelt – nicht als Struktur
  • Rezeption zählt mehr als Wirkung
  • Emotionen werden erzeugt – ohne Orientierung
  • Kritik bleibt im Symbolischen stecken

🔧 Beispiel 1: Die Dystopie-Falle

Beobachtung:

  • Netflix-Serie: „2050 – Die letzte Generation“
  • Ästhetisch stark, emotional packend – aber politisch leer
  • Keine Machtanalyse, keine Ursache, keine Verantwortung

Ergebnis:

  • Zuschauer:innen fühlen – aber handeln nicht
  • Ohnmacht wird als „Erlebnis“ verkauft

Alternative Dramaturgie:
→ Erzählform: „Chronik der unterlassenen Entscheidungen“

  • Jede Episode = ein Jahr, ein politisches Versäumnis, ein Lobbydruck
  • Fakten als Plot
  • Namen, Akten, reale Zitate

➡️ Kunst wird Chronik – nicht Kulisse

🔧 Beispiel 2: Ausstellung als Systemstörung

Titel: „Wie man nichts tut – in 5 Akten“

Rauminstallation mit:

  1. Originalzitaten aus Gesetzesbegründungen
  2. Strategiepapiere von Lobbyverbänden
  3. Zeitungsausschnitte über „technologieoffene Lösungen“
  4. Statistiken über gestiegene Emissionen
  5. Ein leerer Raum mit dem Titel: „Hier hätte etwas passieren können“

Ziel:
Ästhetik nicht als Flucht – sondern als Bruchstelle

🔧 Beispiel 3: Neue Held:innen erfinden

Problem:

  • Popkultur erzählt Wandel über „Genies“ oder „Märtyrer“
  • Handlung = Ausnahme

Alternative:
Held:in = Störer:in im System

  • Rolle: die/derjenige, der Dokumente leakt
  • der Ausschuss verlässt
  • die Meetings unterbricht
  • die fragt: „Wer verschiebt hier was – und warum?“

➡️ Narrative verschieben sich:
Nicht „Welt retten“ – sondern Verzögerung aufdecken

🎭 Bühnen- und Filmidee: „Gremienprotokoll – das Stück“

Ein dokumentarisches Theaterformat:

  • Originalprotokolle von Planungsausschüssen, Bundestag, Konzernvorständen
  • Reale Sprache
  • Jede Szene endet mit: „Vertagt“ oder „Zurückgestellt“

Ziel:
→ Das Publikum erkennt: Die Verzögerung ist nicht Untätigkeit – sie ist Praxis, Sprache, Routine

📚 Formatidee: Toolkit für Kulturschaffende

Titel: „Wirklichkeit schreiben – nicht nur Welten“

Inhalt:

  • 20 Phrasen zur Systemstörung
  • 10 reale Szenarien zur Umsetzung (Ausstellung, Performance, Podcast, Zitatmontage)
  • 1 Selbstcheck: „Bin ich kritisch – oder komfortabel?“

💡 Fazit

Kultur kann sedieren – oder stören.
Schönheit kann verschleiern – oder aufbrechen.

Wer Kultur macht, macht Welt.
Und wer Welt macht, hat eine Wahl:

Inszeniere nicht nur die Katastrophe.
Zeige, wie sie gemacht wird.