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9.8 Kirchen & spirituelle Gemeinschaften – „Verzögerung segnen?“

⛪ Systemische Position

Kirchen und spirituelle Räume geben Sinn – und oft Beruhigung.
Doch auch das kann verzögern:

Wenn Hoffnung das Handeln ersetzt.
Wenn Trost die Analyse verdrängt.
Wenn Versöhnung statt Konfrontation kultiviert wird.

⏳ Verzögerung in spirituellen Kontexten

  • Krisen werden moralisiert („Wir müssen umkehren“) statt politisiert
  • Verantwortung wird ins Individuum verlagert („Sei achtsam“, „Tu deinen Teil“)
  • Schuld wird eingestanden – aber strukturelle Täter:innen bleiben unsichtbar
  • Liturgie überformt politische Analyse

🔧 Beispiel 1: Klimapredigt als Ritual – ohne Wirklichkeit

Beobachtung:

  • Sonntagspredigt zum „Schöpfungsmonat“
  • Thema: „Bewahrung der Schöpfung“
  • Ton: „Wir müssen dankbarer werden, bescheidener, bewusster leben“

Unsichtbar gemacht:

  • Systemische Blockaden
  • Politische Machtverhältnisse
  • Verantwortung von Institutionen

Alternative Predigtdramaturgie:
„Was genau zerstört wird – und wer davon profitiert“

  • Zahlen & Fakten zu Verzögerung
  • Beispiele unterlassener Politik
  • Aufruf zu zivilem Ungehorsam als Gewissensentscheidung

🔧 Beispiel 2: Liturgie stören

Aktion: „Die unterlassene Fürbitte“

  • Gottesdienst mit leeren Fürbitten

„Wir bitten dich für all jene… die politische Macht hätten – und sie nicht nutzen.“
(Stille)
„Für jene, die Verantwortung delegieren – an kommende Generationen.“
(Stille)

Ziel:
Nicht emotional trösten – sondern geistlich irritieren

🔧 Beispiel 3: Theologie der Verantwortung – statt Moral der Bescheidenheit

Typischer Impuls:

„Wir alle tragen Verantwortung. Jeder kleine Schritt zählt.“

Störende Umformulierung:

„Einige tragen Verantwortung – und weichen ihr aus.
Und wir als Kirche haben zu lange nicht gefragt: Wer verzögert systematisch – und warum?

📎 Formatidee:
→ Themensonntag: „Nicht alle sind schuld – aber manche verantwortlich“
→ Mit Klartext-Stellungnahmen in Kirchenzeitung oder Gemeinde-Newsletter

📚 Exerzitien zur Systemkritik

Neues Format: „Spiritualität des Eingriffs“

Impulse:

  • Was heißt Buße in einem strukturellen Kontext?
  • Wie klingt ein Gebet, das Macht adressiert – nicht nur Demut?
  • Was würde passieren, wenn wir vom Evangelium aus „Lobbyismus“ predigen würden?

➡️ Ziel:
Rituale nicht abschaffen – sondern öffnen für Wirklichkeit

💡 Fazit

Wer Hoffnung predigt, muss benennen, was sie verhindert.
Wer Schuld anspricht, muss zeigen, wo sie wirksam ist – nicht nur wo sie weh tut.

Kirchen können Stabilisator oder Störsender sein.
Sie müssen sich entscheiden:

Versöhnen wir – oder benennen wir?
Trösten wir – oder beunruhigen wir?
Segnen wir – oder unterbrechen wir?